Für eine korrekte Darstellung dieser Seite benötigen Sie einen XHTML-standardkonformen Browser, der die Darstellung von CSS-Dateien zulässt.

Presse

19.10.2007


Unterstützt, aber nicht entmündigt: Computer sollen Gruppenarbeit effizienter gestalten

Forschungsprojekt zur automatischen Anpassung von Arbeitsumgebungen

 

Wie funktioniert Gruppenarbeit? Wie können Teammitglieder Erfahrungen, Strukturen und Entwicklungen nutzen, die andere in ähnlichen Situationen bereits gemacht haben? Und wie kann man ein Computerprogramm entwickeln, das Zusammenarbeit unterstützt und effizienter gestaltet? Diese – und viele andere Fragen – soll das Projekt „Kontextadaptive Interaktion in kooperativen Wissensprozessen“ beantworten, an dem von der FernUniversität in Hagen Prof. Dr. Jörg Haake, Lehrgebiet Kooperative Systeme, und Junior-Prof. Dr. Stephan Lukosch, Verteilte Systeme für kooperative Arbeits-/Lernumgebungen, beteiligt sind. Stephan Lukosch befasst sich damit, wie die über ein Netzwerk angebotenen Dienste solcher Computersysteme manuell oder halbautomatisch angepasst werden müssen, um die Zusammenarbeit zwischen den Anwendern zu verbessern. Jörg Haake erforscht die situationsgerechte Veränderung von Arbeitsumgebungen entsprechend den unterschiedlichen Bedürfnissen von Gruppenmitgliedern.

Die DFG fördert hier erstmalig einen größeren Informatikverbund, an dem auch die RWTH Aachen und die Universitäten Duisburg-Essen und – federführend – Siegen beteiligt sind. Und nicht nur für zwei, sondern sogar drei Jahre. Schließlich betrachten die Partner ein übergreifendes Thema an der Schnittstelle der Forschungsfelder Human Computer Interaction (HCI – Mensch-Computer-Interaktion) und Computer Supported Cooperative Work (CSCW – Computergestützte Gruppenarbeit) aus überlappenden Blickwinkeln. Das erzeugt optimale Synergien.

Immer häufiger wird in Organisationen an komplexen Problemen gearbeitet, für die es keine vorgegebenen Lösungsstrukturen oder -wege gibt. Solche Unternehmensprozesse sind i.d.R. wissensintensiv und auf konkrete Situationen bezogen. Daher bieten sie erhebliches Potential für intensive Computerunterstützung: Damit mehrere Anwender eine Aufgabe gemeinsam mit hoher Effizienz erledigen können, sollen sie gespeichertes Wissen und Werkzeuge sowie Erfahrungen früherer ähnlicher Projekte nutzen. Transparenz hilft, Doppelarbeiten zu vermeiden: Die Benutzenden müssen immer nachvollziehen können, was sich getan hat. Und warum etwas getan wurde. So kommt die „gute Idee“ eines Anwenders auch anderen Gruppenmitgliedern zugute.

Bisher sind Computeranwendungen für die große Spannbreite und Dynamik wissensintensiver Arbeitspraktiken jedoch nicht flexibel genug. Das Projekt soll nun hochflexible Unterstützungssysteme entwickeln. Heutige Software ist eher für bestimmte Anwendungen programmiert. Prof. Dr. Jörg Haake: „Service-Orientierung wird immer wichtiger. Dafür müssen verstärkt kleinere Dienste entwickelt werden, die sinnvolle Funktionen erfüllen.“ Aus Basisbausteinen – Diensten und „schmalen“ interaktiven Modulen – kann ein Programm dann selbst neue Anwendungen zusammenstellen. Benutzer müssen diese Zusammenstellung aber beeinflussen können.

Damit sich Programme flexibel an verschiedene Arbeitssituationen anpassen können, müssen sie viele Informationen über Situationen verschiedener Benutzer und Benutzergruppen erhalten. Informationen und Zusammenhänge, die das gemeinsame Agieren von Menschen beschreiben, sind allerdings ebenso umfangreich wie vage: Wie tauschen sie Dokumente aus? Per Mail? Oder chatten sie lieber? Wer hat ein bestimmtes Dokument verändert? Wo hinterlegen sie Termine? Wie planen sie ihre Arbeitsabläufe? Projektziel ist, dass die Systeme daraus selbstständig den Kontext, die Rahmenbedingungen des Zusammenarbeitens, erkennen und analysieren können.

Um die Aspekte zu finden, die für die Systemanpassung besonders effektiv unterstützt werden können, wird zunächst erforscht, wie der Nutzungskontext in Informationssystemen modelliert und dargestellt werden kann. Und mit welchen Methoden das Kontextmanagement dies unterstützen würde. Untersucht werden automatische und manuelle Adaptionsverfahren, mit denen Computeranwendungen entsprechend dem jeweiligen Kontext besser an die Bedürfnisse der Benutzer angepasst werden können.

Damit Menschen überhaupt effizient zusammenarbeiten können, müssen sie das System individuell anpassen können. Dies soll anhand von kontextbezogenen Regeln geschehen. Und es müssen die Eigenschaften einer Software – Browser, Anwendungsprogramme etc. – gefunden werden, die sinnvollerweise verändert werden sollten, z. B. eine Ergänzung des Systems um neue Fenster mit Zusatzinformationen, was andere bei ihrer Arbeit tun, oder die Bereitstellung eines anderen Kommunikationskanals, z.B. einer Audiokonferenz anstatt eines textbasierten Chats.

Dies zu entwickeln ist ebenso Aufgabe der FernUni-Forscher wie das Entwerfen und Testen von Strategien: Soll das System automatisch arbeiten? Wie viel Kontrolle soll der Nutzer haben? Haake: „Wir wollen gewisse Anpassungen leichter machen, der Benutzer soll selbst sehen, welche Möglichkeiten er hat.“ Macht also das System einen Änderungsvorschlag, muss der Benutzer entscheiden. Daraus lernt das System. Stephan Lukosch: „Der Benutzer arbeitet mit der Technik sinnvoll zusammen.“

Geprüft wird in Hagen auch, ob mit diesem Ansatz CURE (Collaborative Universal Remote Education) so erweitert werden kann, dass Fernstudierende und Betreuer im Internet gemeinsam Dokumente noch besser bearbeiten können, als dies heute möglich ist.

(Quelle: FernUni Hagen, Oktober 2007 )